Streaming begann mit Premiere
Über Jahrzehnte hinweg war das „lineare Fernsehen“ der Mittelpunkt einer jeden Familie. Es war die einzige bekannte Art, um fernzusehen. Selbst als Premiere, das heutige Sky, 1997 aktiv in den deutschen Markt drängte, fristete es zunächst viele Jahre ein Nischendasein. Das Format war eher unpopulär, was sich auch in seinem Namen widerspiegelte, denn „Bezahlfernsehen“, wie das neue Angebot in den Medien genannt wurde, klingt zunächst nach Bezahlung und weckt damit alles andere als eine erfreuliche Assoziation.
Außerdem nahm man es den Machern von Premiere übel, sich exklusive Rechte von Sportübertragungen zu sichern, die allein den Kunden von Premiere vorbehalten waren. Vorbei waren die Zeiten, als Spitzenspiele der Bundesliga im allgemeinen Fernsehen live übertragen wurden. Wenn es immer noch so etwas wie ein germanisches Gewohnheitsrecht gegeben hatte, so wurde dieses handstreichartig gekappt.
Streaming verdrängt das lineare Fernsehen
Inzwischen hat sich das Format Streaming durchgesetzt und viele junge Menschen, die in eine eigene Wohnung oder WG ziehen, haben überhaupt keinen klassischen Fernsehapparat mehr im Haus. Sie bevorzugen das Streamen, da sie die einzelnen Sendungen gucken möchten, wann sie wollen, und nicht, wenn es das Fernsehprogramm vorgibt.
Der Anspruch, alles zu sehen, was und wann man möchte, entsprang dem Zeitgeist der Digitalisierung. Der Serienjunkie betrat die Bühne, der gute Serien an einem Wochenende verschlang und sich von der Notwendigkeit befreite, tagelang auf die nächste spannende Folge warten zu müssen.
Die Vielfalt birgt Licht und Schatten
Inzwischen hat sich das Angebot der Streamingdienste weiter ausdifferenziert. Sky gibt es immer noch, wenn auch unter einem anderen Namen, und mit WOW sogar in einer vergünstigten Version. Aber Netflix und Amazon Prime geben den Ton an und auch manchen Verfolgern werden Chancen nachgesagt, sich auf dem Markt der Streamingdienste zu behaupten. Dieser Konkurrenzkampf hat für Verbraucher seine guten und schlechten Seiten.
Positiv für Kunden ist der Umstand, dass der Konkurrenzdruck die Anbieter zu Innovationen zwingt und ihnen die Möglichkeit bietet, vom Preiskampf zu profitieren. Negativ ist hingegen, dass es die Angebote nicht mehr aus einer Hand gibt, sodass Kunden, welche die besten Serien, Filme und Dokumentationen in der Breite empfangen möchten, zunehmend dazu gezwungen werden, gleich mehrere Abonnements mit einzelnen Streamingdiensten abzuschließen.
Das Erfolgsrezept der besten Streamingdienste
Wer sich mit der Erfolgsgeschichte von Netflix und Amazon Prime beschäftigt und auch deren Konkurrenz nicht aus dem Blick verliert, wird einige Aspekte finden, die als Erfolgsmodell der Branche eine gewisse Vorbildfunktion besitzen und eine Sogwirkung entfalten. Doch die Adaption hat ihre Grenzen, denn bei der Wahl zwischen dem Original und der Kopie wählen die meisten Kunden das Original. Die Kreierung von Alleinstellungsmerkmalen bleibt für Streamingdienste der Königsweg, um gegenüber der Konkurrenz hervorzustechen und Kunden vom eigenen Angebot zu überzeugen.
Erfolgsrezept von Netflix
Die aktuelle Krise von Netflix hatten Analysten nicht erwartet, denn die Corona-Pandemie schien wenigstens der Branche der Streamingdienste in die Hände zu spielen. Wenn in der Öffentlichkeit nichts mehr unternommen werden kann, gewinnen die häuslichen Freizeitaktivitäten an Bedeutung. Offenbar zeigt der zunehmende Konkurrenzkampf seine Wirkung und die Corona-Pandemie mag zwar die Erwartungen der Kunden in die Höhe geschraubt haben, nicht aber das Angebot, denn natürlich litten auch die Filmproduzenten unter dem langen Ausnahmezustand.
Vor der Corona-Krise hatte Netflix seit 2011 rasante Zuwächse bei den Kunden erfahren und sich in Deutschland als Streamingdienst nach Amazon Prime auf dem zweiten Platz etabliert. Für Netflix sprechen besonders die hochwertigen Eigenproduktionen, die wie Stranger Things, Riverdale, Black Mirrow, Orange is the New Black und Dark bei Anhängern Kultstatus erlangten. In puncto Angebot an guten Serien bleibt Netflix einsame Spitze, beginnt in den letzten Jahren aber auch, sein Angebot an Filmen nach oben zu schrauben.
Für Netflix sprechen die intuitive Navigation, die hochwertige Streamingtechnologie und die Tatsache, dass beim Angebot anders als bei Amazon Prime für Abonnenten keine Aufschläge mehr zu zahlen sind. Wer das Abo bei Netflix hat, für den ist alles gratis. Ob die vielen Filme und Serien in Originalsprache mit deutschem Text, die es eher bei Netflix als bei Amazon Prime gibt, das wesentlich stärker auf Synchronisation setzt, ein Vor- oder Nachteil ist, sieht jeder Kunde anders. Die einen lieben Filme im Original, die anderen haben keine Lust, ständig mitzulesen. Ein Film ist schließlich kein Buch, so argumentieren die Kritiker.
Erfolgsrezept von Amazon Prime
Beim Branchenprimus Amazon Prime gibt es vor allem zwei Gründe, die für den Streamingdienst sprechen. Zunächst wäre hier die Vielfalt an Filmen, Serien und Dokumentationen zu nennen. Rund 13.000 Filme und Serien stehen zur Auswahl. Das Angebot ist so groß wie bei keinem anderen Streamingdienst.
Der andere Erfolgsfaktor besteht darin, dass sich mit dem Abo von Amazon Prime der Zugang zum Amazon-Universum öffnet. Kunden haben Zugriff auf rund 2 Millionen Songs auf Amazon Music, auf Bücher und e-Literatur auf Prime Reading sowie Amazon Auslese und auf Computerspiele auf Prime Gaming. Weitere Vergünstigungen sind Privilegien beim Versand und mehr und bessere Angebote und Deals des weltumspannenden Marktplatzes.
Anders als bei Netflix erhalten Abonnenten allerdings nur teilweise unentgeltlichen Zugriff auf die Filme und Serien. Kostenlose und kostenpflichtige Angebote sind nicht klar voneinander getrennt und aufgrund ablaufender Lizenzen wechselt das Reservoir an Gratisangeboten ständig. Amazon Prime hat seine Stärken besonders bei Filmen und produziert in Eigenregie Originals. Einige Eigenproduktionen wie The Northman, Morbius, Dune und Level 16 sind durchaus erfolgreich. Insgesamt reicht die Qualität der Originals nicht ganz an das Niveau von Netflix heran.
Was machen andere Streamingdienste gut?
Kurz gesagt, bietet in Deutschland noch kein alternativer Streamingdienst die Popularität und Klasse von Netflix und Amazon Prime. So ist WOW als Ableger von Sky zwar deutlich günstiger geworden, aber die Angebote sind nach wie vor in einzelne Pakete untergliedert, für die jeweils extra gezahlt werden muss. Andere Anbieter wie RTL+ (früher TV Now) zeigen nur Mediatheken von RTL oder im Falle von Joyn von Pro 7. Dennoch haben sich einige Streamingdienste starke Nischenpositionen erkämpft, die auf ihre eigene Art Alleinstellungsmerkmale setzen und in ihrem Metier selbst von Netflix und Amazon unerreicht sind.
Nischenmeister Disney+ und DAZN
Diese erfolgreichen Formate sind aber eher Spezialangebote, die naturgemäß keine Inhalte in ihrer ganzen Breite abbilden können. Die Rede ist von DAZN und Disney+. DAZN gilt bereits als bester Sportkanal, der sich zusammen mit Amazon Prime Exklusivrechte an der Premier League gesichert hat. Die Ausbootung des langjährigen Inhabers der Fußballrechte, Sky, war ein Paukenschlag in der Streamingszene.
Disney+ spricht wiederum in erster Linie Kinder und Familien an sowie Kunden, die in der Welt von Entenhausen ihre zweite Heimat haben. Disney+ bietet das ganze Ensemble der Marvel- , Pixar- und Star Wars-Filme. Nostalgiker können sich über legendäre Klassiker wie „Donald in Nutzy Land – Der Fuehrer`s Face“ von 1943 ebenso freuen wie auf spektakuläre Neuerscheinungen wie West Side Story, Black Widow und Hamilton.